- von Slax -
Ich war es endgültig Leid, diesem Halsabschneider Phlyaken hinterherzujagen, um dann feststellen zu müssen, dass er wieder komplett ausgekauft wurde und nur noch ein paar lumpige Haare anzubieten hat, die er mir dann auch noch versucht, zu einem Wucherpreis aufzuzwingen. Völlig frustriert begab ich mich in mein trautes Heim, um meine Zauberkiste zu plündern. Eigentlich sollte sie von diesem Kampftrottel Slax bis zum Rand aufgefüllt worden sein. Schließlich lasse ich ihn nicht kostenlos bei mir wohnen. Wo kämen wir denn da hin? Voller Vorfreude auf die ganzen glitzernden Edelsteine, in denen ich mich gleich suhlen konnte, hob ich den schweren Deckel der Kiste an … Gähnende Leere. Meine Wut auf diesen verlausten Parasiten stieg ins Unermessliche, als mir plötzlich eine Idee kam: ‚Er wird doch nicht schon wieder meine von arkanen Symbolen geschmückte Zauberkiste mit der ollen Truhe verwechselt haben, in die ich eigentlich nur wertlosen Plunder werfe, mit dem ich hin und wieder pilzsuchenden Anfängern eine Freude machen kann.‘ Tatsächlich sollte ich mit meiner Vermutung nicht so ganz Unrecht haben. Die Truhe war bis zum Rand gefüllt … Mit Schrott! Wozu kaufe ich denn diese überteuerten Waffen- und Rüstungsschränke, wenn es dieser Idiot nicht schafft, seinen Kram dort einzusortieren? Er hat definitiv zu viele Kopfstöße am Stahldrachen geübt.
Jeglicher telepathischer Kontakt zu dieser Nulpe mittels Matrixkristall missglückte. Ich war einfach zu wütend und konnte mich nicht konzentrieren. Um mich erst einmal zu beruhigen, begann ich, die Truhe auszuräumen. Stupide Arbeiten sollen ja angeblich meditativ wirken. Und ich konnte es kaum glauben, als ich dabei sogar noch eine Zauberkomponente fand – eine noch relativ gut erhaltene, wohl kürzlich abgehackte Hand, an deren einem Finger sogar noch ein Ring steckte. Als ich diesen neugierig in Augenschein nahm, musste ich plötzlich laut lachen, da mir auf einmal alles klar wurde. Wessen Verstand durch einen Intelligenzring (+2) verdreifacht wird, sieht ohne natürlich ganz schön alt aus. Als ich so vor mich hin kicherte, sah ich in der untersten Ecke der Truhe ein merkwürdiges, magisches Glitzern, das sich bei näherer Betrachtung als eine Schriftrolle entpuppte, die mit dem Siegel des Koru-Tschakar-Struv verschlossen war. Meine Versuche, es aufzubrechen, blieben aber ohne Erfolg. Wahrscheinlich war hier mächtige Yrdmagie am Werk, die es nur demjenigen Trves erlaubte, die Rolle zu öffnen, an den sie gerichtet war. Und das konnte nur einer sein… Da meine Wut der Neugier gewichen war, konnte ich endlich auch Slax telepathisch erreichen. War mir egal, dass er gerade irgend so einen Hez´Zoarath vermöbeln wollte. Ich drohte einfach, ihn aus dem Haus zu schmeißen, wenn er nicht sofort kommen würde.
„Was …?“ keuchte Slax noch ganz außer Atem. „Was ist denn los, Ithildin? Wo brennt´s denn? Ich seh´ hier gar keine Monster.“ „Von Monstern war auch nie die Rede. Hier mach das auf!“ sagte ich barsch und warf ihm die Schriftrolle zu. „Sag mal, spinnst Du? Dafür unterbreche ich den Kampf gegen …?“ Er wollte sicher noch mehr sagen, aber ein scharfer Blick von mir ließ ihn verstummen. Widerwillig zerbrach er das Siegel und reichte mir das Schriftstück, das ich sofort zu lesen begann. Ich erbleichte. Das konnte doch alles nicht wahr sein. „Was hast Du?“ fragte Slax, der meinen entgeisterten Blick gesehen hatte. Ich schüttelte nur ungläubig den Kopf und hielt ihm die Schriftrolle vor die Nase, woraufhin er mich nur verständnislos anglotzte. „Das ist eine letzte Mahnung von Brieseltrim! Wenn Du ihm nicht bis nächster Woche Deinen Bericht ablieferst, fliegst du aus den Struv! Für immer!“ „Oh mein Gott!“ war alles, was Slax noch herausbrachte, bevor er sich mutlos in die Ecke setzte. „Was sitzt Du hier noch tatenlos rum? Schnapp Dir ´ne Schreibfeder und leg los!“ Wie auf Kommando sprang Slax plötzlich auf, zückte tatsächlich eine Schreibfeder und fuchtelte damit wie wild vor meinem Gesicht herum. „Tickst Du noch ganz richtig?“ fragte ich ihn, mir Tintenspritzer aus den Augen wischend. „Was war das denn eben?“ „Wa … Waffentrick.“ stotterte Slax entschuldigend. „Du hast doch selber eben gesagt …“ Mein Zauberstab traf ihn direkt auf dem Hinterkopf. Allerdings bewahrheiten sich die meisten Sprichwörter nicht und ich gab ihm lieber seinen Ring zurück. „Hör zu! Nimm das nicht auf die leichte Schulter. Dieser Bericht scheint sehr wichtig zu sein und ich will nicht, dass Du nach all Deiner harten Arbeit an Deinen Kampfkünsten jetzt unehrenhaft entlassen wirst.“ Das war natürlich eine Lüge. Prinzipiell war mir sein Werdegang ziemlich egal. Aber einen billigeren Komponentenbeschaffer als ihn bekomme ich schwerlich wieder. Und wenn man ihm ab und an in den Hintern trat, klappte das auch ganz gut.
„Nun war alles umsonst.“ seufzte Slax leise. Ich zog eine Augenbraue hoch und schaute ihn fragend an. Slax senkte seinen Blick zum Boden. „Ich kann das nicht.“ murmelte er ganz leise. „Was? Schreiben?!“ „Ja. Also … Ja, weißt Du … Ich … ich … ich bin doch ganz doll schwer verletzt worden.“ Zum Beweis streckte er mir seine rechte Hand entgegen. „Hier. Siehst Du! Genau hier wurde mir die Hand abgetrennt. In einem harten Kampf selbstverständlich.“ Um das zu bestätigen, nickte er heftig mit dem Kopf. „Dr. Quack Salber hat mir zwar eine neue angenäht, aber er betonte, dass ich die Hand jetzt genau eine Woche lang nicht hart belasten darf. Jawohl!“ Ja klar und diesen komischen Hez´Zoardingens von eben hatte er sicher auch nur mit Ellbogenschlägen und Kampftritten gekitzelt. Naja, ich wollte ihn mal in dem Glauben lassen, dass er mich überzeugt hatte und sagte: „Also gut. Pass auf, ich werde Dir helfen und das Schriftstück für Dich anfertigen, aber dafür hab ich einen Gefallen bei Dir gut. Worum geht es denn überhaupt in Deinem Bericht?“ Slax´ Augen begannen freudig zu strahlen. „Mein Bericht handelt von Drachen …“
„Von Drachen?!“ unterbrach ich Slax erstaunt. „Das ist ja aller erste Sahne! Ich hab erst kürzlich einem ganzen Haufen von diesem Viehzeug das Fürchten gelehrt.“ Stolz zeigte ich ihm meinen Drachentöterorden. „Nein. Nein. Nein. Nun lass mich doch mal ausreden! Von Drachen, Schlangen und anderen Kampftechniken handelt mein Thema. Der Drache zum Beispiel ist eine alte traditionelle Kampftechnik, die man gegen extrem gut gerüstete Gegner wirkungsvoll einsetzen kann.“ Um das zu demonstrieren schnappte sich Slax mein Athame und ging in Kampfposition. Vor Schreck rief ich „SCHUTZ!“, woraufhin ich von einer bläulich schimmernden Aura eingehüllt wurde. „Ahhh! Perfekt! Also pass auf!“ Vorsichtig versuchte er, an verschiedenen Stellen meine Schutzaura zu durchdringen. „Da!“ rief er und machte plötzlich heftige, weit ausholende Schläge in meine Richtung. Und tatsächlich hatte er einen Schwachpunkt in meinem verstärkten Schutz gefunden, der mir vorher nicht aufgefallen war. Wäre ich nicht geschickt ausgewichen, hätte er mich sicher getroffen. Anscheinend sind diese zwar kraftvollen aber weit ausgeholten Schläge nur bei schwer gerüsteten und damit weniger wendigen Gegnern sinnvoll, da der Kämpfer selbst nicht schnell genug die Schlagrichtung wechseln kann. „Eine meiner absoluten Lieblingstechniken in meiner Zeit als Gra‘Takal.“ unterbrach Slax meinen Gedankengang. „Man steckt seine gesamte Kraft in den Angriff, kann aber trotzdem noch einigermaßen gut verteidigen. Das genaue Gegenstück dazu ist die Schildkröte.“ quackelte er ganz aufgeregt weiter. „Man igelt sich vollkommen ein und konzentriert sich nur darauf, sich und, wenn man jemanden den Rücken frei halten will, seinen Mitkämpfer zu verteidigen.“ Ich bügelte derweil mit meinem großen Blutstein einige frisch gewaschene Sachen und hörte mit halben Ohr Slax´ Geschwätz zu. Als ich aber aus den Augenwinkeln mitbekam, wie er gerade sein schweißüberströmtes Gesicht an Asaniels Gewand abwischen wollte, sprang ich geistesgegenwärtig dazwischen und baute mich vor ihm auf. „Ohh! Soll ich etwa demonstrieren, wie´s geht?“ Bevor ich jedoch mit dem Kopf schütteln konnte, ging er schon hinter seinem Schild in Deckung und machte einige zögerliche Stiche und Schläge in meine Richtung. Ich zückte gelangweilt „Sternenmond“ und vollführte zwei magische Gesten, woraufhin tausende kleine Eiskristalle um meinem Zauberstab zu funkeln begannen. Ich täuschte einen Hieb auf Slax´ Beine an, den er, wie erwartet, mit dem Schild abblockte. In diesem Augenblick schnellte meine Extrahand vor, um sein linkes Auge zu treffen. Normalerweise hätte das ein nettes Veilchen gegeben, aber durch seine defensive Kampfweise konnte Slax den Schlag locker mit seiner Waffe parieren. Ich musste zugeben, dass diese Art zu kämpfen keine Schwachstellen in der Verteidigung offenlegte. Andererseits waren aber Slax´ Attacken auch nur vorsichtige Versuche und mehr als kümmerlich.
„Das ist doch Unfug! Damit kannst Du vielleicht ein paar Wald- und Wiesenorks bekämpfen und Dich nach einer Stunde freuen, dass sie an ihren Kratzern verblutet sind.“ bemerkte ich lachend. „Du denkst halt nicht wie ein Kämpfer.“ entgegnete mir Slax. „Für den Einzelkampf, den ihr ja bevorzugt, mag das stimmen. Aber in einem Kampfverband ist diese Technik schon von Nutzen.“ belehrte er mich ernst. „Einige Ungeheuer zum Beispiel geraten leicht in Rage, wenn man sie ein wenig ärgert.“ kicherte er fröhlich. „Hat ein Kämpfer einmal die gesamte Aufmerksamkeit des Monsters auf sich gelenkt, braucht er sich auch nur auf seine Verteidigung zu konzentrieren. Den Rest erledigen seine Mitstreiter, die dann ungehindert angreifen können.“ Da sich bei mir allmählich die Strapazen des Tages bemerkbar machten und mich Slax´ Ausführungen auch nicht wirklich interessierten, gähnte ich ganz unverblümt. Aber dieser Dussel verstand nicht einmal einen Wink mit dem Zaunpfahl und dachte gar nicht daran, aufzuhören. „Naja. Hast schon Recht. Ich benutz´ diese Technik auch so gut, wie nie. Irgendwie will sich ja jeder ins Kampfgetümmel stürzen und nicht wie ein oller Sandsack rumhängen und auf Prügel warten. Und als Verwüster lernt man dafür genau die richtige Technik. Sie nennt sich ‚Schlange‘ und wurde von Isengrimm Murd entwickelt. In dieser Technik sind die Vorteile von Drache und Schildkröte vereinigt.“ So langsam ging er mir auf die Nerven. Ich wollte endlich schlafen. „Ähh, Slax?“ „Ja?“ „Kannst Du mir bitte mal die Papyrusrolle aus dem Regal hinter Dir geben?“ „Klar doch!“ antwortete Slax und in dem Moment, als er sich umdrehte, beschwor ich schnell meinen Schattenkämpfer herbei, schnippte noch einmal kurz mit dem Finger und schlüpfte geschwind durch eine Illusionswand in mein Schlafzimmer. Hinter mir hörte ich noch leise „… siehst Du wie ich schlängele … da eine Angriffsspitze … kein Durchkommen, hahaha …“ und den immer wiederkehrenden Satz meiner Stimme „Aha. Is ja interessant.“ bevor ich endgültig in Morpheus´ Arme sank.
Das raue Krächzen einer entzungten Nachtigall riss mich am nächsten Morgen aus meinem immer wiederkehrenden Alptraum, all meine hellseherischen Fähigkeiten verloren zu haben. Hastig fischte ich einen Diamanten aus meinem Komponentengürtel, konzentrierte mich auf diesen Manafokus und schickte mein geistiges Auge in den Nachbarraum. Mehrere Schriftstücke flatterten wild herum. Der Kronleuchter wackelte beängstigend und verkleckerte überall heißen Kerzenwachs auf die frisch gebügelten Sachen. Mein Athame stecke in der Innenseite meiner Eingangstür, die sperrangelweit offenstand und dem staubigen Wüstenwind Einlass gewährte. Von Slax war, außer seiner dreckigen Wäsche, weit und breit nichts zu sehen. Ich versuchte, ruhig zu bleiben und entschloss mich, den Tag mit einem deftigen Frühstück in Werith´s Inn anstatt mit einem Wutausbruch zu beginnen.
Während ich einige belegte Brötchen verputze und die Schale gerösteter Nüsse als Nachtisch auslöffelte, bemerkte ich am Nebentisch einen, ähnlich wie Slax gekleideten Mann, der über irgendetwas zu grübeln schien und hin und wieder einen kräftigen Schluck aus einer Flasche Chateau Margaux nahm. „Se´seterin Merarerth, kann ich Euch vielleicht bei Eurem Rätsel behilflich sein?“ fragte ich höflich. „Ey du Spitzhut!“ sagte er verächtlich. „Zum einen heiße ich nicht Merarerth, sondern Galbraith und zum anderen versuche ich, mich hier auf etwas Wichtiges zu konzentrieren. Also lass mich in Ruhe!“ „Ach ja? Auf was denn?“ bohrte ich weiter. Der Kämpfer verdrehte die Augen und knurrte: „Ich hatte hier eine kleine Kneipenschlägerei mit einem Dunkelzwerg. Nachdem ich ihm gezeigt hatte, wo der Hammer hängt, lässt mich nun aber dieser dämliche Troll nicht mehr hinaus. Ich überlege jetzt, mit welcher Taktik ich ihn bezwingen kann.“ „Ohh. Ich dachte ihr Trves kämpft nur mit einer Taktik – drauf kloppen, bissa umfällt.“ erwiderte ich grinsend. „Du hast auch keine Ahnung! Man muss sich doch schon vor einem Kampf im Klaren sein, ob man lieber defensiv oder offensiv kämpfen will. Natürlich lohnt es sich nicht, sich auf eine defensive Kampftechnik einzustellen, wenn man dann vergisst, mit seiner Waffe und seinem Schild zu parieren oder eine defensive Kampftechnik, wie die Schlange oder die Schildkröte anzuwenden. Das sollte selbst einem Zauberer einleuchten.“ Das tat es. Aber vielmehr wurde mir durch diesen belehrenden Vortrag wieder eine Sache bewusst – ich hatte einen Bericht anzufertigen …
Ich konnte die Magie der Felsen um mich herum förmlich spüren. Wie zähflüssige Lava strömte sie durch den Astralraum und durchdrang die kalten Mauern der Festung, die stolz vor mir emporragte. Was für eine Verschwendung, solch´ einen Schatz nur für das Identifizieren von Gegenständen zu verwenden. Ehrfürchtig betrat ich das Koru Tschakar Struv, um hier einige Informationen zu sammeln. Über einen Gang gelangte ich in die Trainingshalle, in der ein Hobbit gerade einem jungen Trves eine Technik zeigte und nebenbei Erdbeeren mampfte. „… äh, ja. Hast Du seine, oder ihre, höhö, Waffe unterlaufen, so kann Dein Gegner Dich damit natürlich nicht mehr so dolle schlagen und gleichzeitiglich kann er sich Deinen Schlägen nicht erwehren.“ redete er auf den Kämpfer ein. Als er mich erblickte, dauerte es eine Weile, bis die Erkenntnis zu ihm durchsickerte, wer da vor ihm stand. Mit seinem rechten Bein holte er weit aus und versuchte mir in den Hintern zu treten. Aber seine beharrten Stummel waren viel zu kurz und er plumpste nur ungeschickt auf seinen Allwertesten. Amüsiert öffnete ich die massive Eichentür und schritt in den angrenzenden Raum. Mir stockte der Atem, als ich mich umblickte. Aus dem Boden erhoben sich gewaltige Steinregale, in denen die verschiedensten Schriftstücke aneinander gereiht waren. Neugierig blätterte ich in einigen Büchern herum und stieß dabei auf einen interessanten Text über eine Gruppe von Wolfskriegern, die eine besondere Technik, den Blutrausch, anzuwenden pflegen. Leider waren die Ausführungen dazu nicht besonders umfassend, so dass ich mich wohl noch woanders danach umhören musste. Ich wandte mich an verschiedene hochrangige Trves im Struv, wurde aber jedes Mal mit einem Tritt in den Hintern darauf hingewiesen, dass solche Geheimnisse nur einem Mitglied der Kämpfergilde anvertraut werden. Als ich beinahe aufgeben wollte, kam mir eine Idee. Ich kramte meinen Tarnhelm aus dem Holzfällerrucksack und verwandelte mich in einen Kämpfer. In dieser Verkleidung konnte ich endlich ohne blaue Flecken die Festung erkunden und gelangte nach nicht allzu langer Zeit in einen riesigen Saal. „Ich beginne nun die Vorlesung ´Die große Kunst, seinen Gegner verbal fertig zu machen´“ schallte es plötzlich durch den Raum und ein alter, gebeugter Mann schlurfte zu einem Rednerpult, der am Nordende des Versammlungsraumes stand. Um nicht aufzufallen, setzte ich mich flink neben ein paar Jungspunde, die ihre Bleistifte gezückt hatten und lehnte mich zurück. Die Rede des alten Mannes handelte davon, sein Gegenüber mit Beschimpfungen so lange zu nerven, bis dieser die Geduld verliert und einen ungestüm angreift. Allerdings zog sie sich dermaßen in die Länge, weil er jedes Mal alles haargenau an Beispielen erklären musste, dass mir hin und wieder die Augen zuklappten. Als die Vorlesung endlich beendet war und auch der letzte Student den Saal verlassen hatte, beschloss ich, das eben Gelernte einem Praxistest zu unterziehen. Ich enttarnte mich vor den Augen des komischen Kauzes und beschimpfte ihn mit einem wahren Feuerwerk von Gemeinheiten. Doch anders, als erwartet, ignorierte er jede Beleidigung und lächelte nur müde. Da ich deswegen annehmen musste, dass er sich, wie Randar Tobis, Petersilie in die Ohren gesteckt hatte, schrie ich laut seinen Namen, den ich in der Vorlesung von einem Jungtrves erfahren hatte.
Anscheinend hatte ich da einen wunden Punkt getroffen, denn plötzlich funkelte er mich böse an und drohte mir mit seiner runzeligen Faust. Aber ich dachte gar nicht daran aufzuhören und streute noch mehr Salz in die Wunde, bis er sich plötzlich wutentbrannt auf mich stürzte. Völlig überrascht von diesem Angriff floh ich in den Eingangsbereich, um mich auf den Kampf vorzubereiten. Doch in diesem Moment überschlugen sich die Ereignisse …
Der riesige Feuerball sauste direkt auf mich zu. Ich starrte dem feurigen Tod fasziniert in die hungrig glühenden Augen. Wie gelähmt stand ich da und sah meinem Ende entgegen, als mich ein heftiger Stoß in die Realität zurück riss. Mein Verfolger war mir hinterher gesprungen und hatte mich mit der Breitseite seines Schwertes in den Rücken getroffen. Der Aufprall schleuderte mich an die gegenüberliegende Wand und aus dem Schussfeld des Feuerballs. Der alte Mann hatte weniger Glück und brannte sofort lichterloh, als die Flammen ihn trafen. Schreiend lief er als menschliche Fackel durch den Gang. Das gab mir für kurze Zeit die Gelegenheit, die Situation zu begutachten, in die ich gestolpert war. Am Toreingang zu meiner Linken stand eine Gruppe von vier verwegenen aussehenden Personen, die in langen mystischen Gewändern gekleidet waren. Anhand ihrer Gesten und Gebärden wusste ich sofort, dass sie, wie ich, der Akademie der geistigen Kräfte zu Taramis angehörten. Die Frage war nur: Was wollten sie hier? Ihnen gegenüber stand die halbe Struvbesatzung – kräftige Männer in stählernen Rüstungen und mit funkelnden Waffen, die besorgt dem alten, brennenden Mann hinterher sahen. Da ich durch mein Aussehen befürchten musste, in diesen Kampf verwickelt zu werden, beschloss ich, den Sekundenbruchteil der Ablenkung zu nutzen, um mir ein Bild von der Kampfweise dieser Blechhorde zu machen. Ich lehnte mich gegen die Wand und hielt mir eine Meteoriteneisennadel an die Schläfe. Sofort verschwammen alle Konturen um mich herum und mich überkamen die schemenhaften Visionen des zukünftigen Kampfgeschehens. Und was ich da sah, gefiel mir so ganz und gar nicht. Gegen viele der hochrangigen Trves waren Blitze, Feuerbälle oder Giftpfeile reine Manaverschwendung, da sie oft schon anhand der Rituale, Bewegungen oder Komponenten zu wissen schienen, was auf sie zukam. Immer wieder duckten sie sich rechtzeitig unter den Zaubern hinweg oder machten einen gekonnten Salto rückwärts, um der Magie zu entgehen oder zumindest nur geringfügig von ihr getroffen zu werden. Auch das Zuschlagen mit dem Zauberstab oder verzauberten Händen half wenig, da einige Mitglieder des Kampftrupps sofort in eine defensive Haltung verfielen und den anderen Kameraden den Rücken frei hielten und eine große Anzahl der Attacken abfingen. Es gab keine Chance, dieses Gefecht als Einzelkämpfer zu gewinnen. Allerdings musste ich mich auch nicht alleine dieser Übermacht stellen. Bei vier Mitstreitern sollte der Schaden, den man selber bekommt, ja nicht so groß sein …
Lautes hysterisches Gekreische brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Ein hutzeliges, verkohltes Männchen zeigte mit dem Finger auf mich und schrie: „Der da! Das ist der Schlimmste von allen! Auf ihn!“ Mir blieb keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, wie der alte Mann es geschafft hatte, die Flammen zu löschen, denn sofort richteten mindestens sechs Kämpfer ihre Aufmerksamkeit auf mich und schlugen auf mich ein. Soviel zum verteilten Schaden. Ein Wurfmesser bohrte sich in meine rechte Schulter. Ein Knie rammte sich mir in den Magen. Ich krümmte mich vor Schmerzen zusammen, um von einem Tritt ins Gesicht wieder aufgerichtet zu werden. Meine Nase blutete in Strömen. Und ich wusste, dass ich viel Geld in der Finsterwaldklinik für eine neue ausgeben durfte, falls ich das hier überlebe. Der Wucht eines schweren Kampfhammer konnte ich wie durch ein Wunder entgehen, nur um dann von dem Schaft einer Lanze getroffen zu werden. Mit letzter Kraft drehte ich mich einmal im Kreis und streute dabei Schwefel auf den Boden. Dummerweise hatte ich nicht damit gerechnet, dass die Magie des Yrd jegliche Teleportversuche zum Scheitern brachte. In meiner Hilflosigkeit und in der Hoffnung, die Ehre der Trves erlaubt es nicht, auf wehrlose Opfer einzuschlagen, täuschte ich eine Ohnmacht vor und ließ mich zu Boden sacken. Sofort brüllte ein Offizier einige Befehle, woraufhin zwei Trves ankamen, mich an meinen Armen und Beinen unsanft hochhoben und mich in den Dreck vor dem Eingang schmissen. Ich raffte mich auf, bedankte mich höflich bei den beiden verdutzten Gestalten, machte eine Pirouette und war verschwunden.
Die Schreibfeder kratzte über das Papier. Mit einem Strohhalm schlürfte ich heißen Kakao durch die Lücke, wo einmal meine Vorderzähne gesessen hatten. Nach vier Tagen hatte sich mein Körper wieder einigermaßen regeneriert und ich versuchte das Angefangene zu Ende zu bringen. „Und biste endlich fertig?“ Erschrocken fuhr ich herum. Ich hatte Slax nicht reinkommen gehört. „Was ist denn mit Dir passiert? Hast Du Mumps?“ fragte er und deutete auf meine Anschwellungen im Gesicht. „Lass mich in Ruhe!“ antwortete ich verärgert. Für eine Weile schwieg er und popelte gelangweilt in seiner Nase. Bevor er dort jedoch etwas finden konnte und es möglicherweise noch irgendwo hinschmierte, nahm ich das Gespräch wieder auf. „Erzähl mir was von diesem Blutrausch!“ „Dem legendären Team?!“ Slax schaute mich verwundert an und ich konnte nur noch mit den Augen rollen. „Nein verdammt! Benutz´ mal Deinen Kopf! Ich schreibe hier schließlich Deinen Bericht! Falls Du das vergessen hast.“ „Ähh? Blutrausch? Das ist doch aber gar keine Kampftechnik.“ nuschelte er nachdenklich. „Wenn das so ist, sag´ Deinem werten Herrn Brieseltrim, er solle dann nicht irgendwelche Märchen von Wolfskriegern in die Bibliothek stellen!“ Anscheinend war bei der Erwähnung dieses sagenumwobenen Kriegerbundes bei Slax der Groschen gefallen. „Ahhh! Du meinst die Isn´kor. In der Tat benutzen diese ein Ritual, mit dem sie sich in einen regelrechten Blutrausch reinsteigern und wie wilde Tiere um sich schlagen können. Wir Trves sind aber, schon allein wegen der völlig verschiedenen Lebensumstände, zu solch´ einem Berserkertum nicht fähig und beherrschen nur noch eine viel schwächere Form dieses Blutrausches – die Raserei.“ „Ok. Dann erzähl´ mir davon.“ erwiderte ich. „Also gut. Viel zu berichten gibt es da eigentlich nicht.“ begann er. „Will man sich in einem Kampf in eine Raserei steigern, muss jede Vorsicht fallen lassen. Man vergisst alles um sich herum und kämpft mehr oder weniger aus dem Bauch heraus. Somit kann man den Feind mit wilden Schlägen, Stichen und Hieben überraschen und verwirren, so dass dieser keine kontrollierten Angriffe zustande bringen kann. Dass man ohne eine besondere Taktik kämpft, hat hier den Vorteil, dass sich der Gegner nicht auf deine Kampfweise einstellen kann, um Deine Attacken zu parieren. Anderseits muss man auf jegliche Form von Defensive verzichten, was in mancher Situation auch von Nachteil sein kann …“ Ich schaute mir Slax von oben bis unten an und suchte den Knopf zum Ausschalten. „Wirkt sich das wenigstens auch auf die Kampfgeschwindigkeit aus?“ unterbrach ich ihn. „Wuharharhar!“ lachte Slax laut und kriegte sich nicht mehr ein. „Du hast wohl noch nie einem Berserker im Kampfzorn erlebt?“ „Keine Demonstration!“ rief ich in Anbetracht meiner Blessuren dazwischen. „Natürlich kämpft man in der Raserei auch schneller. Was denkst Du, woher der Name kommt?“ Ich kritzelte alles Wissenswerte auf die mittlerweile dritte Papyrusrolle. Slax wartete gespannt, bis ich fertig war und fuhr dann fort. „Für den richtig schnellen Kampf wurde aber noch eine andere Technik entwickelt – der, äh ja, Schnellkampf.“ grinste Slax verlegen. „Er verlangt einem eine Menge an Konzentration ab, hat aber den Vorteil, dass man kontrolliert und mit Taktik kämpfen kann. Man stellt sich mental darauf ein, seine Gliedmaßen erheblich schneller als normal zu bewegen. Du kannst Dir sicher vorstellen, dass hierbei zu schwere Waffen oder Rüstungen nur hinderlich sind und man viel schneller wieder ermüdet.“ Konnte ich nicht. Schließlich renne ich nicht, wie ein wandelnder Schrotthaufen durch die Gegend, aber egal …
Als die Tinte endlich getrocknet war, konnte ich Slax seinen Bericht vorlesen. An einigen Stellen unterbrach er mich und sagte zum Beispiel: „Du solltest vielleicht noch erwähnen, dass man ohne gezückter Waffe den Gegner am besten unterlaufen kann. Und vergiss nicht zu schreiben, dass man beim Unterlaufen weder die Drachentechnik noch eine Rückendeckung aufrechterhalten kann.“ oder „Wieso steht da noch nicht, dass die Raserei jede andere Art von Technik beendet?“ „Wieso, weshalb, warum – wenn ich hier fertig bin, wird er noch sein blaues Wunder erleben.“ dachte ich innerlich. „Immerhin schuldet er mir noch einen Gefallen. Und der wird nicht klein ausfallen.“
Als alles korrigiert war, deutete ich auf die gepunktete Linie und sagte: „Hier noch unterschreiben!“ Zum Schluss setzte ich noch ein „Sla“ vor das krakelige „X“, rollte das Papier zusammen und übergab es Slax. Vorsichtig, als könnte es bei der kleinsten Berührung zu Staub zerfallen, nahm er es in beide Hände und machte sich auf den Weg zu seinen Kommandanten. Kein „Danke“ – nichts.
Athame – Ritualdolch
Se´seterin – Elfisch für „Guten Morgen“
Merarerth – Elfisch für „Krieger“
Yo. Mein Dank gilt zum einen all jenen Trves, die ich nach einem Gildenlevelaufstieg mit dem Zuschicken von Ausbildungslogs genervt habe und zum anderen den Testlesern, die mich u. a. auf grammatikalische Unstimmigkeiten hingewiesen haben, die ich dann doch nicht geändert habe *g*.
Einige Sachen, wie zum Beispiel der Ritualdolch für Zauberer oder das Tragen des Tarnhelms, um an Informationen zu gelangen, sind frei erfunden. Ich hoffe, trotzdem noch relativ morgengrauennah geschrieben zu haben und bitte um Nachsicht.
Slax